KRÜPPELMEMOIREN
Das
Jahr 1990 ist angesagt, 3. August. Ein Jahr des totalen Umbruchs in
Deutschland. Den Menschen haben sich plötzlich die Grenzen geöffnet,
jetzt können sie Leute wiedersehen, von denen sie geglaubt hatten, vor
Jahrzehnten wäre es das letzte Mal gewesen. Alles schwelgt in
Verzückung, freut sich über die neue Freiheit, die es auszukosten gilt.
Auch
die Insassen eines Trabants, welcher gerade auf die Autobahn
Löbau-Dresden am Burkauer Berg auffährt. Auch sie wollen die
Möglichkeiten der neuen Freiheit genießen, wollen nach Augsburg fahren,
um Karten für ein Trash-Metal-Konzert zu holen.
"Gib Stoff!", fordert Mike, der Beifahrer, den am Lenkrad sitzenden Frank auf.
"Hier wird gebaut. Deswegen nur sechzig erlaubt."
Plötzlich fängt Frank an, unflätig zu fluchen. Worauf Mike wieder die Augen öffnet, denn das ist nicht Franks Art.
"Was ist los?", fragt er verwundert.
"Na gucke mal durch die Scheibe!", kräht Frank wütend dagegen.
Mike
setzt sich dazu auf. Wünscht sich jedoch im gleichen Augenblick, lieber
unten geblieben zu sein. Denn draußen versucht sich ein Polski Fiat als
Lückenspringer, überholt einen anderen Trabant, der sich mit ihrem
Wagen auf gleicher Höhe befindet.
Frank flieht vor der drohenden
Kollision auf die Parkspur. Verliert aber nicht die Kontrolle über
seinen Wagen und schickt sich nach weiteren Flüchen an, seine Fahrt
fortzusetzen.
Es rumst kurz. Glas klirrt. Dann ein aufbrüllender
Motor, der plötzlich abstirbt. Und ein anderer, der eiligst
verschwindet. Pia schreit auf: "Haltet an! Haltet an! Da ist was
passiert!"
Frank stoppt den Wagen ab. Mike lugt durch die
Heckscheibe, sieht jedoch nur rote Augen, die sich langsam schließen.
Und ein paar helle Blitze, die ein Laser über den Horizont jagt. Doch
sonst alles dunkel, wie in einer tiefen Grube auf einem verlassenen
Fabrikgelände.
*
Kurz danach spürt er, wie sein Körper von etwas
Hartem erfasst wird. Dann wird es dunkel. Nur ein Gedanke schießt noch
in seinen Kopf und bleibt in ihm stehen:
Das war's!
Wieder Stimmen. Eine davon kommt mir bekannt vor.
"Ist es besser geworden mit ihm?"
"Er ist heute Vormittag erwacht." Das ist die Stimme der vorhin über mich Gebeugten.
"Und jetzt? Ist er jetzt auch wach?"
Woher kenne ich diese Stimme bloß? Es will mir nicht einfallen!
Die mir Bekannte kommt herein. "Mike, bist du wach?", fragt sie mich.
Ich nicke. Richte dann wieder erwartungsvoll meinen Blick in Richtung Eingang. Will endlich wissen, wem diese Stimme gehört.
Sie holt eine Frau herein. Und auch so, wie die Frau aussieht, ist sie mir bekannt. Also: "Wer ist das?".
Plötzlich
fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Na klar, meine Mutter! Die
sich jetzt mit mitleidsvollem Blick und fast schüchtern zu mir wendet.
"Hallo Mike. Erkennst du mich?", fragt sie mich leise, als wenn die Stasi mithören würde, und jeden Buchstaben betonend.
Ich
nicke. Und fühle mich plötzlich geborgen und mit Wärme umhüllt, obwohl
sie mich nicht anfasst. Nur - ich finde es schön, ein mir bekanntes
Gesicht zu sehen.
"Ich darf dir noch nichts mitbringen, aber das wird sich bald ändern. Morgen komme ich wieder. Tschüss."
Ich
greife mit der linken Hand nach ihrer - fürchterlich langsam bewegt
sich diese -, bekomme sie zu greifen; dann fange ich an, sie zu
streicheln. Ein Schleier legt sich vor meine Augen.
Nach einer Weile
geht sie mit dem Versprechen wiederzukommen. Ich aber fühle mich durch
diese Begegnung zu ihr so hingezogen, von ihrer Wärme so überwältigt,
dass alle Fragen nach dem wie, warum und was überschattet werden und
diese Gedanken an meine Mutter die Herrschaft in mir übernehmen. Ich
schlafe wieder ein.
Montag, 22. Oktober. Visite.
Ich
teile der Christoph mit, dass ich am Sonnabend abgeholt werde. Sie
zieht zwar ein erstauntes Gesicht, legt jedoch kein Veto ein.
"Noch was?", fragt sie mich dafür, wobei ihr deutlich anzusehen ist, dass sie die Audienz für beendet hält.
Doch
ich habe gestern auf irgendeine Weise einen Vorwärtsschub im
Selbstwertgefühl bekommen, will jetzt wieder anklingen lassen, dass ich
auch noch was zu sagen habe: "Und jetzt möchtich wissn, wiesum mich
steht. Aber genaustns!"
Die Visite schaut sich ganz verwundert an, so nach dem Motto: "Was ist denn mit dem los?"
"Warum wollen Sie das wissen?", meldet sich als erste die Christoph wieder.
"Um völlig drüber Bescheid zu wissn, wasimir los ist unwasich beseitigen muss."
"Na
gut. Also, Sie haben eine rechtsseitige Hemiparese, einen Kopftremor
und eine Aphasie. Nach dem Unfall hatten Sie ein Schädel-Hirn-Trauma
dritten Grades plus Gehirnkontusion, ein apallisches Syndrom, ein
plumpes Ventrikelsystem, dazu eine links-basale Einblutung, die aber
verschwunden war, schon bevor Sie hierher kamen.
"Gud. Damit durft
ichalsosähn, dass Se gut lateinisch können. Ich aber bin dieser Sprache
ni mächtig. Deswegen bittich nun um de Übersetzung."
Alle, auch
Jürgen und Fliege, schauen mich überrascht an. Die ganze bis jetzt hier
gewesene Zeit über war ich relativ ruhig gewesen und jetzt plötzlich
offene Rebellion gegen die Chefarztvisite.
Die Oberschwester wird
angewiesen, dann jemanden zu schicken, der mir meinen Zustand erklärt.
Gleichzeitig wendet sich die Visite dem Ausgang zu.
He, da ist noch nichts mit abhauen: "Warn Brüche ammir?"
"Sehen Sie welche an sich?", kommt die furchtbar sinnvolle, leicht spöttische Gegenfrage.
"Ich wusste ni, dass man umn Kopf nen Gips trägt", spotte ich zurück.
Prompt bekomme ich eine vernünftige Antwort: "Sie hatten keine. Noch eine Frage?"
"Ja. Wann werdch hier wieder rauskomm?"
Zögern,
in dem das Knistern richtig zu hören ist, dann ringt sich die
Chefärztin zu einer fast nicht hörbaren Antwort durch: "Wir wissen
nicht, wie weit sich das wieder bessern wird. Machen Sie sich auf jeden
Fall darauf gefasst, dass Sie für immer im Rollstuhl bleiben müssen."
Ich
bin ganz still geworden. Muss das eben Gehörte mir erst durch den Kopf
gehen lassen, abschätzen, ob ich das als gegeben oder als Ärzteunfug
hinnehmen soll: Der Rollstuhl soll ab nun mein Allzeitbewegungsmittel
sein?
Neeiin!!!
Abends. Wir kommen gerade am 'Volkshaus' an.
Meiner
Mutter mussten wir erzählen, dass wir noch zu Bekannten fahren, damit
sie nicht wieder in ihr Gezeter verfällt. Andererseits - wir fahren
doch zu Bekannten! Im Volkshaus sind doch bestimmt auch ein paar.
Nichtsdestotrotz - Bammel ist angesagt. Denn noch ist mir unklar, was
mich von denen erwarten wird. So wie früher wird es auf alle Fälle
nicht, hundert pro. Denn da bin ich oft genug erfolgreich auf Treibjagd
gegangen, weswegen ich nicht so sehr Augen für Trinkeratmosphären übrig
hatte. Nur dürfte das jetzt eh ein bisschen schlecht möglich sein. Denn
tanzen - was ich so übelst gerne mache und dazu meine Masche war -
dürfte derzeit nicht besonders gut gehen. Na ja, aber Wunder gibt es ja
immer wieder, ni? Oder doch nicht??
"So Ente, wir bringen dich jetzt im Rollstuhl rein", kündigt Engel mir an. "Wir haben ihn noch hinten im Auto."
Ich fange an zu |knurren|.
"Keine
Widerrede! Ohne ihn läuft nichts! Mache dir doch nicht ins Hemd
deswegen, du kannst doch schließlich nichts dafür." - Ob das die
anderen auch so sehen?? - "Oder willst du nicht mehr rein?"
"Doch." Scheiße, dass ich jetzt so rein muss. Aber trotzdem - auf ins Getümmel!
Dabei
durfte ich auf dieser Straße hier schon bessere Zeiten erleben: Da war
doch mal eine, die hatte ich heimgebracht, wohnte da vorn irgendwo.
Brrh, war die hässlich, dazu hatte es bei ihr im Kopf auch noch ein
bisschen gepennt. Aber zum Glück war es dunkel; und wenn man bei der
Armee ist, fühlt man sich froh und glücklich, wenn man was feuchtes
lebendiges zwischen die Beine kriegt. Und so standen wir vor ihrem
Hause. "Darf ich mit hoch?", fragte ich sie so ganz unverfänglich, als
ob nichts dahinterstecken würde. Und ihre Antwort: "Meine Mutter wartet
immer auf mich. Was willst du denn mit oben?" Oh nein, dachte ich, 'Was
willst du denn mit oben?' Die stammt wohl von einer einsamen Insel. Was
wird ein Junge, der sich schon die Mühe macht, sie heimzubringen, bei
ihr um Mitternacht wollen?! "Milch trinken, ein Glas." Und was machte
sie? Nicht etwa mir einen Vogel zeigen oder mir eine klatschen oder
anfangen zu feixen, ach: "Wir haben keine oben. Da müsstest du am
Montag mal vorbeikommen, da ist welche da." Tut die nur so oder ist die
so schrecklich naiv?, fragte ich mich damals. Obwohl - naiv war das ja
schon nicht mehr. Daraufhin bin ich aber abgehauen - in der
Ungewissheit, ob ich nun heulen oder lachen soll. Allerdings konnte ich
das Ding nicht für mich behalten. Und die Beschreibung davon, woran man
nichts verbiegen brauchte, erzeugte großes Gelächter in der Szene. Im
'CK' wurde sie zum Beispiel höflich gefragt, ob sie heute ein Glas
Milch da hätte. - Verdammt lang her, verdammt lang ... Schade. Obwohl -
gerade mal ein halbes Jahr ist seitdem vergangen. Doch mit mir ist
jetzt alles anders, nichts ist mehr so, wie es früher einmal war.
Belastend.
*
Als wir ins Volkshaus eintreten, werde ich von
manchem ganz entgeistert angestarrt, so nach dem Motto: "Was will denn
der hier?"; da hilft nur eines: Gute Miene zum bösen Spiel machen und
eisgecoolt bleiben. Doch es ist verdammt schwer, verdammt heikel,
verdammt unangenehm, man will auf die Leute zugehen, denen in die Augen
schauen und sie dann fragen: "Sieh her! Ich bin ein Krüppel. Probleme
damit?" Doch dann verkneift man es sich, aus Angst vor der eigenen
Courage, aus Angst davor, dass man gegen das, was danach folgt, nicht
gewappnet ist und setzt seinen Weg fort, lässt die tuschelnden Menschen
hinter sich.
Mittag ist endlich vorbei. In mir kocht die
Aufregung. Ich spiele mit dem Gedanken, auf den Gang hinauszugehen;
doch ich weiß, dass ich jetzt nicht trainieren kann, weil ich der Pol
bin einer klimatischen, einer politischen und einer physikalischen
Umwälzung. Geraucht wird jetzt auch nicht, Claudia könnte in jedem
Moment kommen - und dann würden wir uns verpassen.
Die Tür geht auf.
Wer ist es? Mist, ein weißer Kittel. Und auch noch Regina, Scheiße. Die brauche ich jetzt wirklich nicht.
Sie will nichts von mir. Oder doch? Sie will schon .... „Waschen!“
Eh
unklar! Wir haben es kurz nach Mittag. Das muss ein Lacher sein. Sollte
lieber ihr Face richten. Doch mich waschen ... ? Eeh, Abfahrt! Die hat
doch einen Harry an der Leine.
Die Tür geht wieder auf.
"Claudia!",
belle ich sie freudig erregt mit imaginären Schwänzchen-in-die-Höh an;
hätte nur noch gefehlt, dass ich mit ihr verfahre wie Dino mit Fred.
"Und Mike, können wir?"
"Selbstverfeilich!
Und seidir gewiss, du bis noch nieso sehnsüchtig erwartet worden
wiejetzte! Siehste den Nebel ringsumich rum? Es dampt schon."
Regina bellt in den Äther: "Ich wasche aber gerade die Patienten!" Sie ist nicht gewillt, ihr Terrain kampflos freizugeben.
Möglich,
dass Claudia etwas sagen möchte, ich komme ihr jedoch zuvor: "Um diie
Zeit - dasollwohln Witzein?! Wahrscheinich biste derannahme, dassmer
denjansen Nammittag schöbrav inner Heiahockn. Dasannste aber vergessn.
Ich zumindst ni."
"Wir haben noch mehr Patienten zu waschen, und wir wollen auch mal Feierabend haben!"
"Eh,
dannasch vomiraus erste andern, mich zletzt. Ich gloubaum, dass man
hier abfaulzn soll. Also wennde dich inner Paologie een bissel auskenn
würdst, müsste wissn, dass manam Nammittag nochn paar Kibel schwitz.
Und wasis dann midän? Die kommann mitins Bette, wassoieso blossaller
zweebisrei Wochen neu bezogn wird, oderas? Un Badn isja beieuch
ouniübich; also wirmanier zum Dreckschwein abgerichtet."
Reginas Gesicht nimmt wieder die typische giftgrüne Farbe an: "Das musst du schon uns überlassen!"
Mir
reicht es. Ich drehe ihr den Rücken zu, wende mich an Claudia: "Komm,
haumerab! Das Geschwafl issoo sillos, da wirdm ja schlechdabei."
*
"Warte, ich helfe dir beim Aufstehen!", bietet sie mir an, als wir der waschfreudigen Regina entkommen sind.
Dafür
kennt sie mich aber zu schlecht, sonst hätte sie das nicht gesagt.
Bevor sie mich erreicht hat, um zugreifen zu können, habe ich mich
schon erhoben. Doch nun ist sie umso schneller neben mir, hält mich
fest, damit ich nicht umkippe.
"Mike, eigentlich solltest du warten, bis ich da bin."
"Offstehn zählzu meien tägichen Übungn. Ansonsten könntich michja ouniso probemlos insoufgerät bewegn."
"Na
gut, aber jetzt machst du genau das, was ich dir sage!" Und wartet mein
zustimmendes Nicken ab, bevor sie mir die beiden Krücken gibt.
Sie lässt mich los.
Stehen kann ich schon mal. Aber Stehen allein ist mir nicht genug. - Fragend schaue ich sie an.
"Welche Seite war die schlimme bei dir?", will sie wissen. Und begibt sich dann auf die rechte Seite.
"Du gehst jetzt los, Mike. Und im Notfall werde ich zugreifen", versichert sie mir.
Ich
versuche, mich voran zu bewegen. Dabei soll ich erst die eine Krücke,
dann das diagonal gelegene Bein setzen; anschließend umgekehrt. Und
genau dies will auch mein Kopf tun. Nur meine Beine ... wacklig
aber ich laufe!
stelzig wie ein Storch im Salatfeld
aber ich laufe!
schief wie der Turm vom Pisa
aber ich laufe!
Claudia muss zwar öfters mal zugreifen - aber meine Beine bewegen sich doch. Einfach so, als wenn nichts dabei wäre.
*
"Aus dem Rollstuhl kommst du auf alle Fälle raus. Das heutige Laufen mit den Krücken sah nämlich nicht schlecht aus."
"Meinste?", frage ich sie verwundert. "Ich hajedacht, nachem Flug wirds Loufn erstma zurückgestett. Ich fands beschissn!"
"Mmh, du darfst keine Wunder erwarten, musst einfach ein bisschen Geduld haben!"
(Ich
verziehe angewidert das Gesicht:) Geduld - was soll das sein? Noch nie
welche gehabt. Das ist aber auch ein Vorteil. Dadurch kann mich nämlich
niemand hier einlullen, peitsche ich mich selber voran (ob andere nun
mitziehen wollen oder nicht), warte nicht auf eine Märchenfee, die mich
von diesem Alptraum befreit. Denn ohne meine Ungeduld und dem Versuch,
ständig die Initiative zu ergreifen, wäre hier doch nie was
losgegangen. Da wäre ich immer noch das siechende Stück Dreck, das im
Bett liegt und auf die Erlösung wartet. Aber auch so geht es nur sehr
schleppend voran.
"Okay, ich sehe, das stößt bei dir auf taube
Ohren!", schlussfolgert Claudia. "Dir muss man erst die Fakten
vorführen, damit du die Folgen begreifst! Du kannst es noch einmal
versuchen. Aber sehe ich einen kleinen Ansatz dazu, dass du wieder
fällst, wirst du mit dem Rollstuhl zurückgebracht. Und zwar von der
Schwester da vorn. Die liebst du ja so sehr." Sie zeigt auf Regina.
Sie
will mich foltern! Die Aussicht, von Regina angefasst zu werden, ist
wie die eines Mannes, der am Fuße eines Abhanges festgekettet ist und
über sich eine Lawine Müll in seine Richtung stürzen sieht.
"Azeptiert!", gehe ich jedoch das Risiko ein.
Ich schlürfe vorwärts.
Die Beine kann ich kaum noch heben, mit dem jeweiligen Fuß taste ich
das Linoleum nach dem besten Stand ab, mein Blick ist starr auf die
Krücken gerichtet, damit sie sich nicht ins Abseits stellen; doch die
Aussicht, von Regina dann in die Fittiche genommen zu werden, verleiht
mir zusätzliche Kraft.
Nach ungefähr der Hälfte des Ganges wage ich
einen Blick nach oben. Und wie automatisch fällt er auf einen Punkt,
der mich mit Grausen erfüllt, mein Blut zur Gerinnung treibt: Regina
lauert in meiner Zielbahn und grinst mich teuflisch an. - Erwartet sie
ein köstliches Mahl? - Ich fange an zu taumeln.
Sofort packt Claudia
zu, um mich in den Rollstuhl zu setzen, wonach sie sicherlich Regina
rufen wird, damit diese mich hinterkarrt.
Ich sage nichts mehr, kann
nichts mehr sagen, denn mein Mund ist wie zugenäht; und außerdem habe
ich dem vorhin selber zugestimmt. Der Unrat hat sich nun über mich
entladen, ich stecke jetzt tief in der Gülle, habe den Mund zu voll
genommen.
"Bringste zweeterücke morgn wieder mit?", bekomme ich
im Zimmer den Mund wieder auf und kann so meiner Furcht Ausdruck
verleihen.
"Hast du etwa Angst bekommen vor dem Laufen?", fragt Claudia verwundert. "Du wolltest doch mit zwei Krücken laufen."
"Nö, nö, absoluni. Ich dachnur, du siehstavonab nachen heutigeneignissn."
"Es
lief doch gut! Dass du gefallen bist, lag an Entkräftung, nicht an
mangelndem Gleichgewicht. Beim ersten Mal kann man noch keine
Wunderdinge erwarten."
Ich fange an zu strahlen; alles ist
vergessen, selbst die stinkende Müllkippe von vorhin. "Das sollaso
heessen: Moinjehts weiter?"
"Morgen Vormittag hole ich dich ab und
da laufen wir runter, ohne den Rollstuhl zu Hilfe zu nehmen. Und morgen
Nachmittag machen wir einen Spaziergang auf dem Flur. - Oder glaubst
du, dass das zuviel für dich wird?"
"Icha mitterweierkann, Faulheit
isier fehlam Platz, ichmi schindn muss, willichwas erreichn." Nur, dass
dieses Schinden eine neue Qualität bekommen hat.
Mittwoch, 12. Dezember. Früh, Chefarztvisite.
Als
die Ärzteschar vor mir auftaucht, sitze ich gerade am Tisch und
frühstücke. Man beobachtet mich dabei wie ein Pferd auf dem Tiermarkt,
ich schaue auf. Doch das lateinische Fachsimpeln wird beibehalten, ich
sehe keinen Grund, mein Frühstück zu unterbrechen.
Plötzlich nimmt
mein Ohr wieder bekannte Laute auf - die Sprache ist gewechselt worden,
Deutsch nunmehr an der Tagesordnung: "Seine Motorik hat sich
verbessert; er macht Fortschritte beim Laufen; und auch, was seine
Handlungen betrifft, wird er kontrollierter - das war nicht zu
erwarten.“
Aha, Frau Christoph hat mich gelobt! Hat ja lange genug gedauert, bis sie die Zeichen der Zeit erkennt.
"Auch der Umgang mit seinem Zuhause hat sich gebessert", weitet die stellvertretende Chefärztin Frau Heinzl die Analyse aus.
Haha, wenn die wüsste.
"Er hat zwar noch öfters ein Loch in der Trainingshose, aber sonst scheint alles in Ordnung zu sein."
So
ein Loch ist doch nötig für das Durchlüften der Beine. Und da meine
Mutter keine Lust hat, die zu stopfen, eh dann muss ich mir eben die
Beine weiter durchblasen lassen. Kriege ich wenigstens keinen Fußpilz
oder vermoderte Beine.
"Und, wie sieht es mit seinem geistigen Zustand aus?", will Frau Christoph wissen.
Ach, uninteressant. Der ist okay.
„Sein geistiger Zustand lässt noch zu wünschen übrig. Der ist noch nicht wieder intakt", gibt Frau Heinzl zu hören.
Ich
fange an zu husten, habe mich verschluckt. Die Speiseröhre hält in der
Peristaltik inne, erstarrt, Zweifel beginnen, durch meine
Gehirnwindungen zu rasen.
"Ist mit Ihnen irgend etwas?", fragt mich Frau Christoph.
Inzwischen habe ich mich wieder unter Kontrolle. Nur das Lächeln auf meinem Gesicht bleibt verschwunden.
Ich herrsche die Visitenrunde, speziell Frau Heinzl, an: "Wasollner Blödsinn? Wie kommSen daroff, dassch niganz da wär?"
"Sie
müssen uns doch zustimmen, dass mit ihrer Sprache einiges nicht
stimmt", antwortet sie mir. Und die anderen gucken mitleidig
wohlwollend zu mir herüber.
"Wasatn die Sprache mitem geistigen Zustanzu tun!?", rege ich mich fassungslos auf.
"Leute, die Abitur haben, müssten doch auf einem höheren Niveau sprechen, ni?"
Das ist die Krönung. Wutentbrannt fange ich an zu schnauben wie ein rachedurstiges Pferd, dem die Hufe entfernt wurden.
Das Visitenkollegium bemerkt meine Stimmung, flüchtet hinaus.
Wenn
ich gekonnt hätte, wie ich wöllte, wären sie von mir alle einzeln
seziert worden. Da hätte ich sie erst einmal eingefrostet, bis auf die,
welche ich gerade in der Mangel habe; und dann hätten sie mal erleben
dürfen, wie abgetakelt ich bin. Nee, denn reif waren sie dazu allemal.
So ein Irrsinn: Alle, die Abitur haben, sind was Besseres. Sorry, Lady
Blödschmalz, aber ich zähle mich nicht dazu! Dann - die Artikulation
macht eine Aussage über die Verfassung im Kopf. Dann müsste jeder
Stumme in der Klapper stecken - als Insasse wohlgemerkt. Aber ich habe
mal irgendwo munkeln hören, dass solche in Artikulationsschwierigkeiten
steckende Leute sogar Hochschulabschlüsse haben! Was ist mit denen? Das
riecht mir so nach Krüppeldiskriminierung! Im Grunde genommen kann mir
ja ihr Urteil eigentlich egal sein, ich brauche ja nicht irgend eine
Prüfung vor ihr ablegen. Aber wurmen tut mich das schon. So etwas
überhaupt zu denken, ist doch schon eine bodenlose Frechheit. Gut, dass
sie es mir wenigstens gesagt hat. Dadurch weiß ich, woran ich in dieser
Institution bin.
Es ist gerade Mittagspause und ich liege im Bett.
Wach, denn müde bin ich nicht. Aber dadurch haben die Gedanken an das
letzte Wochenende wieder die Gelegenheit, mich zu überfallen: Von
meiner Mutter war auch gestern nichts zu sehen. Und ich kann mich so
dunkel erinnern - am Anfang meines Zombielebens behielt sie auch meine
Wäsche für sich. Damit wird es ganz deutlich: Sie will ihre
Selbsthygieneangewohnheiten auf mich übertragen, sie ist der festen
Ansicht, dass, da sie die Schlüpfer …
Dienstag, 23. Juli. Nachmittags.
Ich
komme vom Einkaufen zurück. Werde dabei einen steilen Berg hochkrauchen
müssen, vor dem es mir, seit ich ihn entdeckt habe, graust.
Plötzlich
überfällt mich die Idee, trotz meines nicht ganz leeren Seesackes auf
dem Rücken ihn mit hochgenommenen Krücken zu besteigen. Ein hohes
Risiko, yeah, ein sehr hohes Risiko - Vielleicht schon übergroß? Aber
kann ich ohne Risiko überhaupt noch leben?
Am Fuße des Berges bleibe ich stehen, beäuge erst einmal die noch vor mir liegende Strecke.
Furchterregend! Mir wird kalt. Aber ist dies beim ersten Mal nicht immer so, beim zweiten Mal lachst du drüber?
Schritt
schritt, tapp tapp - na ja, eigentlich ist das doch bloß ein Hügel,
aber für mich ... äh das erste Besteigen des Mount Everest wäre nischt
dagegen.
Weiter. Doch - kein Rhythmus nicht mehr. Verliere Balance.
Schnell Krücken runter. Schaffe es. Doch - Vorwärtsschwung groß.
Krücken zu nah am Körper. Abwärts! Ich falle! Ich falle entgegen den
physikalischen Gesetzen, ich falle den Berg hinauf!
Ich bin
gelandet. Der Trottel in mir kam nicht darauf, die Krücken mal
loszulassen. Deswegen konnte ich auch nicht auf den Händen landen,
sondern mein Kinn musste dafür herhalten. - Wieder einmal. Ist mir hier
schon zweimal passiert. - Und ich spüre, wie mir etwas warm den Hals
herunterläuft. Schleppend zwar, aber es läuft. Und eine Fühlung mit der
rechten Hand zeigt mir Rot.
Ein Mann kommt angewetzt: "Wir haben Sie
beobachtet. Sie sind noch reichlich unsicher beim Gehen, wollen aber
schon ohne Krücken laufen. Das ist verrückt! Seien Sie doch froh, dass
Sie überhaupt laufen können!" Und hilft mir hoch, während er mir seine
Predigt verabreicht.
Ich bin wütend. Geworden durch diesen Flug und
dem nicht geklappten Aufstieg, wobei ich aber den Fehler erkannt habe:
Genau am Fuße des Berges habe ich wieder angefangen zu laufen. Dadurch
konnte ich meinen Rhythmus nicht finden.
Dem älteren Mann gebe ich ein "Ja ja" zur Antwort. Was ihn zu beruhigen scheint, denn kopfschüttelnd dreht er wieder ab.
Merkt
der nicht selbst, dass er Dummmist quatscht? Warum bin ich wohl hier?
Weil ich unsicher laufe, noa? Na also! Und ich bin nicht hier zum
Rumkaspern.
Ich beobachte noch, wie er zurück zu seinem Biertisch
läuft, sehe auch, wie die ältere Gesellschaft an seinem Tisch zu mir
herüberlinst, den Kopf schüttelt, fleißig und aufgebracht über mich
schimpft.
Tja, Bad Boy! Jetzt musst du auch noch den
Biertischphilosophen zeigen, dass sie einen in der Rinne haben. Doch
ich schwöre euch, ich schwöre es allen und jedem, ich schwöre es mir,
ich schwöre es jetzt: Ich komme zurück! Und dann - dann besteige ich
diesen Berg! Und wenn euch das nicht passt, dann latsche ich euch in
die Fresse und stricke Müllkugeln daraus! So wahr ich Mike Scholz heiße!
Abends.
Um
sechs wollte Dorn vorbeikommen, es ist bereits Viertel sieben. Ich
fertig angezogen in meiner Wohnung, zum Ausgehen bereit, was sicherlich
mit dem Zug passieren wird; und der fährt in einer knappen halben
Stunde. Doch weiterhin Grabesstille an der Tür. Ich bin nervös, laufe
laufend zur Treppe, zum Fenster, wieder zur Treppe, erneut zum Fenster,
von da aus zur Treppe, ..., horche ins Haus, ob da Schritte zu hören
sind, ob Stimmen zu hören sind, ob Bewegungen zu hören sind. Es bleibt
ruhig.
Deshalb zwischendurch jedes Mal zurück in meine Wohnung,
setze mich auf einen Stuhl, zünde eine Zigarette an, hoffe, dass dieses
Rauchen meine Nervosität abwürgen kann, dass ich heute nicht einen
neuen Part der Enttäuschung erlebe. Denn sie materialisiert sich wieder
nach ihrer Implosion. Ich versuche, sie zu verdrängen, versuche, mir
einzureden, dass er durch irgend etwas aufgehalten wird. Und hoffe -
hoffe - hoffe. Hoffnung ist die Zauberformel, an die ich mich klammere.
Und hoffe - wiederum hoffe -, dass es nicht bei dem bleibt, nicht Traum
bleibt, nicht ein amorphes Schemum bleibt.
Am Mittwoch schien mir
alles wieder so wonneblau, gestern nicht minder - sollte ich jetzt
plötzlich mit abgedeckten, zugelöteten Augen herumlaufen? Sollte ich
das wirklich? Hoffentlich nicht!
Sieben Uhr. Aufgabe. Verloren.
Schach matt. Betroffen, unglücklich, sterbenskrank. Nicht mal einreden
kann ich mir, dass da irgend etwas dazwischengekommen ist, denn
irgendeine Stimme jubiliert mir zynisch zu in meinem Kopf, in meinem
Herzen, in jeder Faser von mir, und legt alle Zweifel an dem
Mit-Absicht-Nicht-Kommen von Dorn in das Gerümpel der Vernunftsgrube.
Der
Schleier vor meinem geistigen Auge verschwindet auf einmal, zeigt, wie
sie alle auf der Disko sitzen und lachen über den dämlichen Krüppel,
der den Ausgang aus seiner Traumwelt noch nicht gefunden hat und ihn
deshalb gezeigt kriegen muss. "Ja, er ist jetzt nur noch ein
Abfallhaufen der Gesellschaft." Jetzt wird mir auch klar, was am
Mittwoch geschah: Nicht ich wurde besucht. Nein. Dorn! Meine Ankunft
wurde nur geduldet, wurde als notwendiges Übel betrachtet, weil es
anders nicht möglich war.
Ich sitze in der Ecke mit
blutunterlaufenen Augen und fletsche die Zähne: Nein, nein, nein!!
Womit habe ich das verdient??? Ich tue alles, um wieder in den Haufen
der Menschen zurückzufinden! Tue alles, um wieder als Mensch akzeptiert
zu werden!! Tue alles, um wieder als vollwertiger Mensch akzeptiert zu
werden!!! Doch was passiert? Ich bin in den Augen der anderen ein - ein
- ja, ein Untermensch. Ja, das ist das richtige Wort für diese Scheiße.
UNTERMENSCH???
UNTERMENSCH???
UNTERMENSCH!!!
Dienstag, 15. Oktober. Abends. 17.00 Uhr.
Heute
keine Gehschule mehr, denn am Donnerstag versprach Patricia, zu mir zu
kommen und mir Tanzstunde zu geben. Deshalb jetzt "Großreinschiff".
*
18.00 Uhr
"Großreinschiff"
abgeschlossen. Versuche nun, der Stube ein romantisches Ambiente zu
geben: Lasse ein eigens dafür gekauftes Räucherkerzl abbrennen, stelle
eine Kerze in einen Kerzenständer, diesen auf den Tisch neben einen
auch dafür gekauften Blumenstrauß.
18.30 Uhr
Eigendekoration.
Ziehe meine Stretchjeanshose an, dusel mich dezent mit Parfüm ein,
becreme mein Gesicht, stelle mich vor den Spiegel und wälze die
angedeuteten Muskeln meiner Arme hin und her - ohne dass es mehr wird.
Setze mich danach in den Sessel, stecke mir eine Zigarette an, schaue
laufend auf die Uhr und werde immer nervöser. Ein sich in
Extremgedanken gefallender Wicht oder Monstrum oder was es auch immer
sein mag durchkämmt meinen Bauch, lässt ihn in sich erstarren, kurz vor
dem Platzen stehen. Doch die Uhr zeigt erst 18.50 Uhr.
Ich hoffe,
dass sie kommt; dennoch rede ich mir immer wieder ein: Glaube es nicht,
du kannst dir nicht sicher sein, dass sie wirklich kommt! Denn die
Enttäuschung soll nicht so riesengroß werden. Obwohl ich weiß, dass ich
mir das nur einrede, in Wirklichkeit sicher - zu sicher? - bin, dass
sie kommt. Und wenn nicht - egal ob ich nun den Glauben daran ignoriere
oder mich in ihm verstricke: Die Enttäuschung würde in jedem Fall
riesengroß sein, würde mir ein weiteres Mal zeigen, wie abstoßend ich
geworden bin, wie weit außerhalb vom überdeckenden und alles
schützenden Mantel der Gesellschaft ich stehe, würde mir ein weiteres
Mal zeigen, dass ich zum Abfall gehöre, zum Mobiliar, das nicht mehr
gebraucht wird.
*
18.58 Uhr. 2 Minuten noch. In mir braut sich
alles zusammen, sucht nach einer Öffnung, wo es austreten kann: Zwei
Minuten noch, dann müsste sie kommen. Zwei Minuten noch, dann fällt der
Hammer der Erleichterung - oder der Enttäuschung! Zwei Minuten noch.
Mann, Mike, du bist doch auch nicht immer der Pünktlichste!
Richtig, ja, das ist richtig. Aber...
Kein 'Aber'! Wenn sie später kommt, geht davon auch nicht die Welt unter!
Ja, aber...
Es klopft. Blick auf die Uhr: 18.59 Uhr. Sollte sie das schon sein?
Ja, sie ist es!
"Herein!“
Die
Tür öffnet sich. Zuerst der Duft: ein betörendes und doch
erfrischendes, in erotischen Schleier eingehülltes Aroma. Der Duft
materialisiert sich, ich bin geblendet; geblendet von der
unvergleichlichen Schönheit, die dort im Türeingang strahlt: Patricia.
Leicht geschminkt - zauberhaft; sie trägt eine weiße Bluse, die sich
wohlgerundet periodisch auf- und absenkt; ein schwarzfarbener
Minilederrock lässt mich imaginär mit der Zunge schnalzen, kann nicht
verbergen, was sie für schöne Beine hat.
Erektion!
Spring ihr nicht unter die Bluse! Du weißt, sie ist für dich tabu!
Ich begrüße sie und zünde die Kerze an.
"Magst du so was?"
"Ja, natürlich! Aber sag mal, hast du schon gedacht, ich komme nicht?"
"Sieht man das?"
"Ja! Aber du kannst dir merken: Wenn ich sage, ich komme, dann komme ich auch!"
„Na ja, ich hab schon lange keinen Besuch mehr gekriegt, deshalb muss ich mich an echte Zuverlässigkeit erst wieder gewöhnen."
"Ich helfe dir dabei."
Danach
lege ich eine Platte auf, zu der wir tanzen wollen. Frage mich aber
insgeheim, ob das die richtige ist: "Kuschelrock" Denn sofort macht sie
Anstalten, ganz eng mit mir zu tanzen, so dass sich unsere Körper
aneinander wiegen und aufeinander schmiegen können. Wogegen ich
eigentlich auch nichts habe. Aber diese scheiß Stimme in mir ermahnt
mich immer wieder dazu, es nicht zuzulassen, erinnert mich daran, dass
ich mein normales Tanzen zurückgewinnen wolle. Denn viele Mädchen
früher meinten zu mir, dass ich gut tanze. Und da will ich wieder hin.
Patricia merkt es auch sofort und geht deshalb in Normalstellung.
Tanzen.
Wie schön ist doch tanzen. Patricia geht zwischendurch die Platte
umdrehen, dann wieder tanzen. Und es dauert nicht lang, bis wir uns
aneinander gewöhnt haben, denn sie tanzt sehr gut und kann sich auf
mein Gestolper einstellen. Und immer, wenn ich merke, ihren Fuß werde
ich gleich breitlatschen, verharre ich auf der Hacke, bis sie den
ihrigen wieder hervorgezogen hat. So kann ich es genießen, eine Frau in
den Armen zu halten - endlich wieder, das letzte Mal war im Krankenhaus
und die jeweilige schmiegte sich nicht so schön hingebungsvoll in meine
Arme - Ja, ich genieße es, obwohl ich ab und zu über meine Füße
holpere, dann wieder über ihre, und schließlich wieder über meine; und
ich genieße es, obwohl die Linksdrehungen im Ansatz stecken bleiben,
weil ich starke Probleme habe, rückwärts zu laufen; und ich genieße es,
obwohl ich nicht mit der früher gewöhnten Schnelligkeit und dem darin
einfließenden Ausdruck tanzen kann. Es ist ganz einfach ein
wunderschönes Gefühl, wieder über den Boden zu schweben, wieder den
Duft einer schönen Frau zu inhalieren, auf dass man zerschmelze wie
eine vom ersten wiedererwachten Sonnenstrahl getroffene Eisblume,
dass... unklar, ich bin sprachlos! Aber auf jeden Fall bin ich so
verzückt, habe ihre Traumwelt mit meiner vereint, dass ich an nichts
anderes mehr denken kann, nur noch in ihre Augen sehe, es mir vorkommt,
als drähen wir ohne Halt auf irgendeiner Spitze. Und Patricia: Ihre
Augen sind gefüllt von grundlosen Pfründen voller Glück und
Zufriedenheit.